Theodor Althaus
Detmold 1843
©Renate
Hupfeld
Die bei Professor Nitzsch für das
Kandidatenexamen ausgearbeitete Predigt über das öffentliche Wirken für das
Gute nach Joh. XI., 7 - 10, hielt er eines Sonntagsmorgens in der Detmolder
Hauptkirche. Über diese Predigt gibt es einen Jahrzehnte später aus der
Erinnerung geschriebenen Bericht von Malwida von Meysenbug (1816-1903), die
nach einem längeren Aufenthalt in der Stadt Frankfurt, wo sie Malunterricht von Carl
Morgenstern bekommen hatte, in jenem Jahr 1843 eher
unfreiwillig mit der Familie nach Detmold zurückkehren musste:
"...Ausserdem war ich aber auch noch in der kleinen Stadt zu sehr der Hülfsmittel beraubt, denn es war da nicht allein keine Galerie, sondern nicht einmal ein gutes Bild, keine Künstler und kaum einige wenige Personen, die wussten, was Malerei ist. Meine ewig suchende Natur griff wieder nach anderen Auswegen. Die alten religiösen Fragen erwachten in in neuer Weise. Ich fürchtete die Kritik nicht mehr; ich ging nur äusserst selten noch in die Kirche, weil ich keine neuen Gedanken, keine wirkliche Erleuchtung dort fand. Eines Tages sagte man mir, dass der älteste Sohn meines Religionslehrers, der sich gerade während der Universitätsferien zu haus befände, am folgenden Sonntag in der Kirche predigen würde, da er Theolog sei wie sein Vater. Ich ging zur Kirche, um zu sehen, was aus dem blassen stillen Knaben, den ich einst im Zimmer seiner Mutter hatte arbeiten sehen, geworden sei. Nach dem Gesang der Gemeinde, welcher der Predigt vorausgeht, stieg ein junger Mann, in schwarzem Talare, auf die Kanzel, beugte das Haupt und verblieb einige Minuten in stillem Gebet. Ich hatte Zeit ihn anzusehen. Er war gross wie sein Vater, aber sein Kopf hatte einen Typus, der in jenen Gegenden, wo er geboren war nicht häufig ist. Sein Gesicht war bleich mit scharf geschnittenen, edlen Zügen, wie man sie bei den südlichen Rassen findet. Lange und dichte schwarze Haare fielen ihm bis auf die Schultern; seine Stirn war die der Denker, der Märtyrer. Als er zu sprechen begann, wurde ich sympathisch berührt durch den Klang seiner tiefen, sonoren und doch angenehmen Stimme. Bald aber vergass ich alles andere über den Inhalt seiner Predigt. Das war nicht mehr die sentimentale Moral, noch die steife kalte Unbestimmtheit der protestantischen Orthodoxie, wie beim Vater. das war ein jugendlicher Bergstrom, der daherbrauste voller Poesie und neuer belebender Gedanken. Das war die reine Flamme einer ganz idealen Seele, gepaart mit der Stärke einer mächtigen Intelligenz, die der schärfsten Kritik fähitg war. Das war ein juner <herder, welcher, indem er, das Evangelium predigte, die höchsten philosophischen Ideen zur Geschichte der Menschheit entwickelte. Ich war auf das tiefste und glücklichste bewegt. Nach Hause zurückgekehrt, erzählte ich meiner Mutter von dem Gehörten und sagte ihr mit Enthusiasmus: 'Wenn dieser junge Mann hier bleibt, so wird dies kleine Land eine grosse Zukunft haben.'..." (Memoiren S. 119-120)
Einige Tage später hielt Theodor in der Ressource, das war ein im ersten Stock des Detmolder Rathauses ansässiger gesellschaftlicher Treffpunkt und Leseverein für jedermann, einen Vortrag. Vater Georg Friedrich Althaus stellte bei der Gelegenheit seinen ältesten Sohn Malwidas Mutter vor. Auch Ernestine von Meysenbug war in höchstem Maße angetan von seiner Ausstrahlung und kommentierte später zu Hause: "Er ist das Ideal eines jungen Mannes." (Memoiren S. 120)
Indes waren in der Sache Coburg bis zum Sommer immer noch keine Fortschritte zu verzeichnen. Theodor nutzte die Wartezeit in Detmold zum Beispiel mit Lektüre aus dem Bereich der Literatur. So las er zum Beispiel Dantes 'Divina Commedia' und Goethes 'Faust'. Sein Großvater Dräseke, dem er eine Kopie seiner Examenspredigt geschickt hatte, kommentierte sie und machte einen Vorschlag: "Deine Predigt scheint mir nicht um ein Jahr, oder um zwei Jahre, sondern um zehn und zwanzig Jahre der vorigen vorangeschritten, oder über sie hinaus. Ich erkenne in dieser trefflichen Arbeit mit Dank gegen Gott die Genialität der Textauffassung, die Schriftmäßigkeit des Inhalts, die Durchsichtigkeit des Gedankens, die Einfachheit der Form, wodurch, alles zusammengenommen, dem Denker ebenso sehr genügt, als das Volk zum Denken angeleitet, genöthigt, erhoben wird. Dabei, welch angemessene Blicke in die Zeit! Welche Symmetrie in der ganzen Anlage! Besonders würdig, ergreifend ist der Schluß. Ich umarme Dich in der beglückenden Überzeugung, daß wir unter dem Walten der göttlichen Gnade viel Herrliches von Dir hoffen dürfen. Möchtest Du nicht vielleicht den Winter in Berlin zubringen, falls die Coburg'sche Angelegenheit, welcher die Besoldung des Diaconus Schwierigkeiten in den Weg zu legen scheint. sich verzöge?" (Lebensbild S. 74) |
Texte von Theodor Althaus beim Aisthesis Verlag Bielefeld:
AlthausLesebuchAisthesis2010.htm
Biografie ist als Taschenbuch erschienen...
1822-1840: Kindheit und Jugend in Detmold
1840-1843: Studium in Bonn, Jena, Bonn, Berlin
1843, 1844, 1845: Jahre im Detmolder Elternhaus
1846: Zukunft des Christenthums, Harzreise, Rheinfahrt im August
Texte von Theodor Althaus: Theodor
Althaus, Der Heidelberger Katechismus und die kirchlichen Kämpfe im Fürstenthum
Lippe, Bremen 1845
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Text und Fotos:
©Renate Hupfeld
Letztes Update:
27.05.2010
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