Theodor Althaus und das Jahr 1848
©Renate Hupfeld
Lichter von Palermo und Sturmglocken von Notre Dame Das Revolutionsjahr 1848 begann für den Demokraten Theodor Althaus mit einem Ereignis, das ihn in eine euphorische Stimmung versetzte. Es handelt sich um den erfolgreichen Aufstand in Palermo am 12. Januar 1848, bei der die Sizilianer sich von der Herrschaft der neapolitanischen Bourbonen freikämpften. Theodor, der immer wieder betonte, dass ein Sieg der guten Sache noch immer in weiter Ferne zu sehen sei, ließ sich von dieser Nachricht mitreißen und schrieb einige Tage später von von Leipzig aus an seine Schwester Elisabeth: "Gestern war in in einem prächtigen Concert; aber obgleich die Iphigenie in Aulis gespielt wurde, hörte ich doch nichts und sah nichts. Die Lichter von Palermo flimmerten mir noch immer vor den Augen herum - das erste Mal, daß ich mich verleiten lasse, zu glauben! Aber es war zu schön: - Abends im Theater losgestürmt, dann die ganze Nacht gekämpft; endlich, die Priester mit den Kreuzen voran: 'Ist Christus für uns gestorben, so wollen wir für das Vaterland sterben!' Die Truppen hinausgeworfen, und als der Sieg entschieden ist, in der Nacht um drei Uhr, Illumination in ganz Palermo! Diese Lichter flirrten mir vor den Augen, und ich überhörte Gluck..." (Lebensbild S. 272) Einige Tage später war er noch immer aus dem Häuschen. Er schrieb der Schwester in einem weiteren Brief: "Ich hoffe, du hast unsern ersten Sieg in diesem Jahre gehörig genossen und den 12. Januar roth angestrichen." (Lebensbild S. 272) Einen guten Monat später gab es ein zweites Datum, das im Kalender rot angestrichen werden musste, der 24. Februar 1848, die Erstürmung der Tuilerien und die Ausrufung der zweiten französischen Republik. Vier Tage nach diesem Ereignis war die Nachricht in Leipzig zwar durchgesickert, ab er noch nicht mit letzter Sicherheit bestätigt.. Es dauerte seinerzeit oft mehrere Tage, bis mit der Eisenbahn Nachrichten von einem zum anderen Ort gebracht wurden. Theodor schrieb am 28. Februar an seine Mutter: "...auf dem Museum stand der ganze Saal gedrängt voll, ich las die "Indépendance Belge" vor - als die Sturmglocke von Notredame anfing zu läuten, da fing sie auch in meinem Herzen an, und mit fieberischer Ungeduld harre ich auf den trägen Lauf der Stunden...Auch der zweite Brüsseler Zug hat weder Briefe noch Reisende, noch Journale gebracht. Nun diese Fragen, diese Vermuthungen, dieses Entgegenzittern! Denn dort ist mehr als Sicilien, dort kann mit der Begeisterung einer glücklichen Stunde die gewaltige Entscheidung auch über unser Schicksal in nächster Zeit gefällt werden. Es ist ein Frühling mit Sturmesbrausen, wie die Welt noch keinen zweiten gesehen hat..." (Lebensbild S. 280) Wie er die Nachrichten aus Frankreich dann erlebte, beschrieb er am 5. März 1848:: "Ich habe Angst gehabt, wie eine Mutter um ihr Kind, bis endlich, allendlich das Ja und Amen kam - keine Regentschaft, sondern Republik, keine Freude, sondern Enthusiasmus, kein neues Ministerium - eine neue Welt! Ich habe kaum Zeit zu denken, aber ich theile und weiß Euere Herzensfreude über dies herrliche französische Volk, über Lamartine, über diese göttliche Milde und Humanität, deren Strahlen auf der Stirn der neuen Welt leuchten. Statt zu terrorisiren, geht sie voran mit der Friedensfahne, die ihre Feinde zu feig sind, zu schwingen; statt Guillotinen aufzurichten, proclamiren sie die Abschaffung der Todesstrafe für politische Verbrechen; statt zu drohen, bieten sie die Versöhnungshand - es ist ein unsterblich edles Schauspiel! Ich kann mich nicht satt lesen an den Verordnungen der provisorischen Regierung. Als ich zum erstenmal die Ueberschrift las: Republique Francaise, hab' ich geweint vor Freuden - mir war, als sähe ich seit Jahren den Namen, die Handschrift meiner Geliebten wieder..." (Lebensbild S. 282) Die Erfolge der Revolutionen in Frankreich und Italien sprang der sprichwörtliche Funke über. Überall in Deutschland gab es Demonstrationen, Kundgebungen und auch Straßenkämpfe. Pressefreiheit war plötzlich kein Thema mehr, es wurde gedruckt, was die Druckmaschinen hergaben. Die Begeisterung über den vermeintlichen Umschwung überschäumend. Auf Straßen, Plätzen und Bahnhöfen war das Bild geprägt von schwarzrotgoldenen Fahnen und Bannern. Das Ende von Kleinstaaterei, nationaler Zerrissenheit und polizeilicher Überwachung schien zum Greifen nah. Bei aller Freude ging Theodor nun manches doch zu schnell. Er hatte sich zwar immer durch mündliche und schriftliche Äußerungen für eine konsequente Änderung hinsichtlich nationaler Einheit hervorgetan, gehörte jedoch in diesem politischen Frühling nicht zu denen, die auf der Stelle Könige und Fürsten entmachten und die deutsche Republik ausrufen wollten, so sehr er das auch herbeisehnte. Um die großen Ziele wirklich zu erreichen, hielt er besonnenes Handeln für unerlässlich. In einem Brief an seine Mutter schrieb er: "Wir haben hier
Versammlungen, in denen ich sehr kalt und still bin. Du weißt, ich habe ein
Organ, die Stimmung herauszufühlen, und der Thermometer steht noch ziemlich
niedrig." (Lebensbild S. 282) Die tödtlichen Wunden der Märzgefallenen in Berlin Diese Zurückhaltung als
stiller Beobachter der Ereignisse, um sich in Ruhe eine Meinung zu bilden und
Handlungsstrategien zu entwickeln, war
ihm nicht lange vergönnt. Die
"Weserzeitung" forderte ihn auf, nach Bremen zu kommen und über eine
Erneuerung der Zusammenarbeit zu verhandeln. Gleichzeitig versuchten Robert Blum und Arnold Ruge
ihn für Presseorgane in Leipzig zu gewinnen. Er entschied sich für
Norddeutschland und befand sich am 9. März auf der Fahrt nach Bremen, war jedoch
eine Woche später schon wieder
auf den Weg in südliche Richtung. Zurück in Leipzig erreichten ihn am 19. März
Berichte vom Ausbruch des Straßenkampfes in der preußischen Hauptstadt.. "Ich ging später noch in Theodors Zimmer hinunter; es drängte mich, ihn allein zu sprechen. Er war, von äußerster Erschöpfung getrieben, schon zu Bette gegangen. Ich setzte mich zu ihm und sah nun erst, wie verändert , wie von Erregung und Schmerz durchwühlt, seine Züge waren. Noch sehe ich seinen Kopf mit den schwarzen Locken auf dem weißen Kissen liegen und in der allmälig kommenden Ruhe eine Verklärung, aber wie eine Verklärung des Todes, sich über seine Züge breiten. Er erzählte von den Gefallenen, die in den Kirchen ausgestellt waren, damit die Angehörigen sie finden und erkennen könnten. 'O', rief er aus, 'diese feste, stille Siegesgewißheit auf den jungen Gesichtern - und dann die Wunden, die tödtlichen Wunden!'" (Lebensbild S. 284/285) Am Tag darauf nimmt Theodor am Begräbnis der Märzgefallenen teil. Am 22. März schreibt er in sein Tagebuch: "Der Leichenzug. Die seidenen, schwarzrothgoldenen Trauerfahnen, wie wehten sie schmerzlich schön ums Herz! Die bekränzten Särge, die weißen Tücher und Florkränze auf den Stühlen - nach den Thränen stumpfte Alles sich ab. Zu lang. Die anarchische Schwüle über Berlin." (Lebensbild S. 285/286) Zwei Tage später, am 24. März, machte er sich wieder auf den Weg nach Leipzig. Auf allen Bahnhöfen wehten schwarzrotgoldene Fahnen und die Menschen trugen Schleifen in den deutschen Farben. Die Aufbruchstimmung, die er während dieser Eisenbahnfahrt erlebte, ließ die schrecklichen Berliner Ereignisse ein wenig in den Hintergrund treten.
Aufgrund der Initiative des so genannten Siebenerausschuss wurde Frankfurt Ende März zum wichtigsten Schauplatz der Revolution in Deutschland. Die Männer dieser kleinen Gruppe hatten versucht, ein Verfahren zu initiieren, damit ein gesamtdeutsches Parlament gebildet werden konnte, um die geforderten Ziele zu erarbeiten, Pressefreiheit, Schwurgerichte und demokratische Verfassungen für die gesamte deutsche Nation sowie auch jeweils für die Einzelstaaten. Um die 500 Delegierte aus allen deutschen Staaten waren zum 31. März 1848 in die Paulskirche zu einer Versammlung des so genannten Vorparlaments eingeladen. Während dieser Tage des Vorparlaments war die Stimmung rund um den Römerberg und die Paulskirche unbeschreiblich. Menschen aus allen Teilen von Deutschland fühlten sich einer Nation zugehörig. In den politischen Kreisen wurden Reden gehalten und diskutiert, was dazu führte, dass sich Gruppen zusammenfanden, die gemeinsam Programme festlegten und formulierten. Theodor Althaus hielt sich weitab von diesem Freundentaumel in Leipzig auf als aktives Mitglied des sächsischen Vaterlandsvereins. Es ging darum, weitere Mitglieder zu gewinnen und Geld zu beschaffen, um die politische Arbeit in Gang zu bringen. Am 3. April schrieb er an seine Schwester: "In Frankfurt hätte ich nun doch sein mögen; nicht gerade um der Versammlung willen, sondern um das öffentliche Leben etwas mitzumachen." (Lebensbild S. 289) Als wenige Tage später die Wahlen zur deutschen Nationalversammlung ausgeschrieben wurden, nahm die demokratische Gruppe des Vaterlandsvereins Theodor Althaus auf die Liste der Parlamentscandidaten für die Nationalversammlung in Frankfurt. Ab diesem Zeitpunkt waren seine Tage von Wahlkampf geprägt. Sein Bruder Friedrich schreibt: "Von früh Morgens bis spät in die Nacht nahmen nun die Vorbereitungen zu den Wahlen fast seine ganze verfügbare Zeit in Anspruch. Zeitungsartikel, Statutenentwürfe, Comitésitzungen, Fahrten zu Volksversammlungen und Reden in den umliegenden Ortschaften..." (Lebensbild S. 291) Überraschend wurde er nun auch von dem demokratisch gesinnten Detmolder Advokaten Karl Vette aufgefordert, für Lippe zu kandidieren. Nachdem er bei der Kandidatenwahl für Sachsen nicht erfolgreich war, nahm er das Angebot an und begab sich in seine Heimatstadt. Im Tagebuch notiert er: "Wahlmännerversammlung in Lemgo. Die verehrten Größen so schonungslos kritisirt. Ich trat auf, sprach unvorbereitet, aber gut. Dienstag wieder in Lemgo - Schierenberg, Cölln, Althof, ich. Mittwoch [3. Mai] Morgens nach Lage...Schierenberg schwang sich, mit einem Fußtritt gegen die, die ihn so weit getragen hatten, auf die letzte Höhe. Ich hatte dreißig Stimmen [von ca. 120]." (Lebensbild S. 293) Da Lippe nur einen Kandidaten nach Frankfurt schicken konnte, hatte Theodor Althaus gegenüber Schierenberg das Nachsehen.
Nach diesen Misserfolgen stand Theodor wieder vor der Frage: Wie soll es weiter gehen? Eine Mitgliedschaft im deutschen Nationalparlament war ihm nicht vergönnt und mit den Redakteuren der "Weserzeitung" hatte sich keine Basis für eine Zusammenarbeit ergeben, ihnen "ging sein demokratisches Ungestüm zu weit" (Lebensbild S. 294), schreibt sein Bruder. In dieser Ungewissheit erreichte ihn ein Angebot von dem Bremer Redakteur Karl Otto Andree, für die "Bremer Zeitung" über das politische Geschehen in der Paulskirche und im Umfeld der deutschen Nationalversammlung zu berichten. Er verließ Detmold am 15. Mai 1848 Detmold in Richtung Frankfurt. Friedrich Althaus schreibt über die Eindrücke seines Bruders: "Wie anders war Alles geworden, seit er zuletzt dem Rheine zufuhr! Der große Umschwung, von dem er damals träumte, hatte mit überraschender Plötzlichkeit stattgefunden, der alte Zustand der Dinge war über den Haufen geworfen, die äußere Gestalt der politischen Welt wie mit einem Zauberschlage verwandelt. Fast wie ein Traum mußte erscheinen, was doch Wahrheit und Wirklichkeit war: der nahe bevorstehende Zusammentritt einer nach allgemeinem Stimmrecht gewählten deutschen Nationalversammlung, des schöpferischen Organs deutscher Einheit und Freiheit. Dennoch erfüllte keine ungetheilte Freudigkeit sein Herz. Seine Stimmung schwankte zwischen Begeisterung und Resignation. Er empfand den ersten Rückschlag der Ebbe nach der großen Fluth. So groß das Errungene sein mochte, es erfüllte doch nicht das Maß seiner Ideale, und inmitten der chaotischen Bewegung der Gegenwart vermochte er nicht, sich des Vorgefühles drohender Gefahren der Zukunft zu erwehren." (Lebensbild S. 295) Notiz von Theodor: "Einen Moment durchzuckte es, wie sie in die Paulskirche zogen. Nachher calmirend die langweiligen Verhandlungen..." (Lebensbild S. 295) Beí aller Langatmigkeit der Meinungsbildung und zähen Verhandlungen knüpfte er jenseits des politischen Tagesgeschehens neue interessante Bekanntschaften wie Feuerbach, Jacoby, Simon und Zitz. Und er traf sich häufig mit seinen Freunden aus Leipzig, Hartmann, Meißner und allen voran Robert Blum und Julius Fröbel. Letzterer beeindruckte ihn neben dem zum leitenden deutschen Staatsmann avancierten Heinrich von Gagern als Präsident des Congresses der deutschen demokratischen Vereine am 14. Juni 1848: "...Mitten in und über dem Gewirr dieser Gestalten und Stimmen war der Präsident in Mienen und Haltung die geistig und ethisch über Alle hervorragende Erscheinung, und wie im Parlamente Gagern's Stimme die mächtigste Wirkung vor allen anderen ausübte, so tönte Fröbel's weit feinere und schlankere Stimme, mit keiner anderen zu vergleichen, doch überall vernehmlich und beherrschend, fast wie die beseelte menschliche Stimme über allen Instrumenten eines mächtigen Orchesters sich behauptet. Die Republik hatte, gegenüber jenem bewunderten Organe der constitutionellen Monarchie, hier ihren ebenbürtigen Repräsentanten gewonnen. Wenn Hecker mit seinen leidenschaftlich schroffen Formen durchaus den einseitigen und dictatorischen Republicanismus der ersten französischen Revolution, und Struve in jeder Beziehung den abstracten Radicalismus derselben darstellte, so trat in Fröbel's Persönlichkeit die ganze Milde des socialen, humanen Elements und die vergeistigende Klarheit der großen theortischen Arbeiten hervor, welche den Charakter des neuen Ideals im Gegensatz zu den einseitigen überwundenen Idealen bestimmen." (Lebensbild S. 299) Als ihn Ende Juni überraschend das Angebot erreichte, die Redaktion der "Bremer Zeitung" zu übernehmen, gab es nicht viel zu überlegen. Sollten sich nun endlich Perspektiven für seine Zukunft auftun? Wie zuversichtlich er plötzlich in die Zukunft blickte, entnehmen wir seinen Tagebuchnotizen über die Eisenbahnfahrt zwischen Frankfurt und Hanau: "Das herrliche Land und die republikanischen Menschen, Alles kam mir so zweckmäßig, so menschlich, so interessant vor, nichts vergeblich oder unnöthig. Die Felder, die Aehren, jeder Pflug, jede Egge, jeder gebahnte Weg und alle Spuren der Menschenthätigkeit waren meinem Herzen und meinen Sinnen näher als zuvor. Alles hatte Sprache gewonnen - eine Heimath freier Bürger, ein Vaterland!" (Lebensbild S. 300)
Als leitender Redakteur muss
Theodor über das Erstellen eigener Artikel hinaus die gesamte Produktion der
täglichen Ausgaben vom Sichten der Manuskripte bis zur Zusammenarbeit mit
Setzern und Druckern koordinieren. Das bedeutet, er steckt bis zum Hals in
Arbeit und hat gerade mal am Sonnabend Abend ein Stündchen Zeit, mal einen Brief
zu schreiben. Wenn es dann auch noch passiert, dass ein Mitarbeiter verreist ist
und ein anderer krank wird, bleibt die alleinige Verantwortung doch bei ihm, das
heißt, er macht die Erfahrung, dass das er zwar für seine Sache engagiert
arbeiten kann, dass es aber kein Zuckerschlecken ist. "So ins Blaue hineinzuschreiben, wenn Dein Leben von nirgendwoher dir entgegenkommt - so gar keine Frucht zu sehen, gar keine Genugthuung als die innere, zu der man keine Zeit hat, und die sich endlich auf das leere Gefühl der vollbrachten Arbeit beschränkt!...Harre aus, werde hart und lerne, was Du nachher brauchen kannst. Das ist der Weisheit letzter Schluß für dieses Jahr." (Lebensbild S. 309) Doch das Jahr 1848 war noch nicht zu Ende. Die Debatten und Agitationen um die Durchführung des Beschlusses der Nationalversammlung führten am 18. September in Frankfurt zu Straßenkämpfen, die niedergeschlagen wurden. Es war sicherlich ein unglückliches Geschehen, dass am Abend dieses Tages die Abgeordneten Lichnowski und Auerswald durch versprengte Aufständische ermordet wurden. Angesichts des gerade nach diesen Frankfurter Ereignissen zunehmenden Erstarkens der reaktionären Kräfte sah es Theodor als seine Aufgabe, gerade in diesem kritischen Augenblick nicht zu wanken, sondern unerschütterlich die Ziele weiter zu verfolgen. In einem Artikel stellte er dieses Frankfurter Begebenheiten in Zusammenhang mit einem Bibelwort, in dem es heißt: Lasse die Todten ihre Todten begraben - Du aber gehe hin und verkündige das Reich!", eine Aussage, die nun endgültig den Skandal um Theodor Althaus eskalieren ließ, da man sie willkürlich auslegte dahingehend, er würde die Frankfurter Katastrophe herunterspielen, die erfolgreiche Revolution der Deutschen sei ihm wichtiger als die Ermordung Auerswalds und Lichnowskys. So hatte sich Theodor die Pressefreiheit nicht vorgestellt. Unter den schweren Angriffen auf seine Person leidet er psychisch und körperlich. Ende September notiert er: "Anfall von Colerine. Zu Bett. Am Nachmittag die Frankfurter Nachrichten. Kam weich, leidend, mit heftigem Kopfweh nach Hause. Das Complott brach endlich an der entscheidenden Erklärung los. Haufenweise kamen die Absagebriefe im echten Bourgeoisstil. Die Principale bleich, niedergeschlagem, sahen voraus, daß die 'Bremer Zeitung für Bremen verloren sei...Bis zur Controle kams, zum Kampfe um das arme Wort 'Aufregung'. Den Kopf oben! Wir müssen aushalten in diesen trüben Zeiten. Unsere Freunde sehen auf uns, ob wir uns einschüchtern lassen. Schweigen ist hier so gut wie der Tod...Die Leute entsetzen sich, daß ein Enkel von Dräseke so heillose Sachen schreiben kann..." (Lebensbild S. 311) Die Machenschaften gegen den
Redakteur Theodor Althaus und die "Bremer Zeitung" gingen so weit, dass betuchte
Bremer Bürger auf den Verleger Heyse Druck ausübten, was auch der
alteingesessenen "Heyse'sche Buchhandlung" schwer schadete. Schließlich
beschloss Heyse, zum 1. Januar 1849 das Presseorgan an die
Gebrüder Jänecke in Hannover zu verkaufen.Dort sollte das Magazin unter dem
Namen "Zeitung für Norddeutschland" erscheinen. Das war das Ende der "Bremer
Zeitung". Schwere Tage Parallel zu Theodors Bremer Desaster entwickelten sich die Angelegenheiten in Frankfurt sehr schleppend. Je zäher sich die Fortschritte um die Verfassung hinzogen, desto weniger Chancen hatte die Nationalversammlung ihre Autorität als gesamtdeutsches Gremium geltend zu machen und desto stärker sammelten sich die Kräfte der Reaktion. In Wien und in Berlin wurden die gesetzgebenden Versammlungen aufgelöst und Verfassungen oktroyiert. Nach all den bitteren Enttäuschungen vertraute Theodor seine Gefühle dem Tagebuch an: "Ich nehme dich nun hervor, altes Buch, um doch mal zu wissen, daß ich mir selbst noch angehöre. War unwohl, der Husten lastete auf mir, und ich lernte verzagen, wie nie zuvor, in alle Tiefen der Misere hinunter. Konnte nicht schreiben, fühlte mich mit kurzen Unterrechungen wie todt, wie vernichtet, sah mit Grauen dem Winter und mit Ekel dem Leben entgegen..." (Lebensbild S. 314) Ende Oktober notierte er nach dem Geburtstagsbesuch seiner Schwester Elisabeth: "Der Rosenstock blühte in das Weinlaub hinauf zu meinem Geburtstage. Da kam sie. Ich war nur wenig in Stimmung, fühlte so entschieden, daß Leben und Behaglichkeit der weite Hintergrund sein müssen, auf dem die Sonnenstrahlen durch Wolken glänzen können. Im Fluge zu haschen - wie selten gelingt es! Ich habe verloren, ich weiß nicht mehr zu sprechen wie sonst, seit ich so viel lese und schreibe. Ich kenne die Herzen nicht mehr so, seit ich mir selbst so wenig, so fast niemals angehöre." (Lebensbild S. 316) Einige Tage nach dem Weihnachtsfest, das er wegen der Anhäufung von vorbereitenden Tätigkeiten in Hannover verbringen musste, traf ihn ein Schlag mitten ins Herz. Seine geliebte Mutter erkrankte schwer und starb kurz darauf. So endete dieses Jahr der größten Hoffnungen und tiefsten Enttäuschungen mit dem Begräbnis in Detmold . .
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Biografie ist als Taschenbuch erschienen... Biographie in der Kindle Edition erschienen: Leseprobe hier:
Texte von Theodor Althaus beim Aisthesis Verlag Bielefeld: |
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1822-1840: Kindheit und Jugend in Detmold
1840-1843: Studium in Bonn, Jena, Bonn, Berlin
1843, 1844, 1845: Jahre im Detmolder Elternhaus
1846: Zukunft des Christenthums, Harzreise, Rheinfahrt im August
Texte von Theodor Althaus: Theodor
Althaus, Der Heidelberger Katechismus und die kirchlichen Kämpfe im Fürstenthum
Lippe, Bremen 1845
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Text und Fotos:
©Renate Hupfeld
Letztes Update:
07.11.2011
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