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Theodor Althaus 1851

©Renate Hupfeld

 

 

Die Eröffnung für die der "Hochschule für das weibliche Geschlecht" angeschlossene Gemeinde-Schule verzögerte sich, weil der Hamburger Senat Maßnahmen ergriff, um das Zustandekommen der Schule und vor allem den Einsatz von Theodor Althaus zu verhindern. Am 10. Januar 1851 schrieb er seinem Vater, dem zu Ohren gekommen war, dass es Schwierigkeiten gab:

"...Was vorlag? fragst du. Nichts als jene bekannten 'polizeilichen Gründe', die weder zu begreifen, noch auch nur zu erfahren sind. Könnte ich den Herren actenmäßig bewiesen, daß ich weder malitiöse Zeitungsartikel schreibe, noch Agent geheimer Verbindungen bin, so wäre das Etwas. Könnten wir die Pfaffen überzeugen, daß unsere Schule einflußlos auf die Anfüllung der ihrigen und auf unsere Zöglinge sein würde, so hätten wir vielleicht den Hauptanstoß weggeräumt. Uebrigens hat man von hier aus nach Hannover, und wahrscheinlich auch nach Detmold, geschrieben. Mit den Resultaten mußte man zwar sehr unzufrieden sein, aber der Polizeiherr fand den Ausweg: was denn all' die schönen Zeugnisse bewiesen, da ich ja immer nur so kurze Zeit in den letzten Jahren in Detmold gewesen sei? Von unserem Gemeindevorstand wurde eine Supplik eingereicht, und die liegt nun eben heute vor..." (Lebensbild S. 437)

Theodor bot an, sich zurückzuziehen und an der Eröffnung der Schule am 9. Januar 1851 nicht teilzunehmen, doch das wurde von den Kollegen nicht akzeptiert. Die Arbeit begann mit Theodor. Am 13. Januar wurde er von den Schwierigkeiten eingeholt. Seinem Vater schrieb er:

"Der Geschäftsgang ist etwas langsam - erst gestern erfuhren wir den Inhalt des Decrets. Es lautet einfach abschläglich, ohne Gründe. Ich will Sir nicht verhehlen, liebster Vater, dass ich jetzt sehr wenig Hoffnung mehr habe..." (Lebensbild S. 438)

Er sieht nicht nur seinen Einsatz an der Schule, sondern überhaupt den Fortbestand der Schule als gefährdet an. Doch ihn selbst betraf es am stärksten, weil ihm sogar untersagt wurde, sich in Hamburg niederzulassen.

"...Die, denen ich noch vor acht Tagen als der einzige Unglücksprophet erschien, sind sehr niedergeschlagen; und auch ich kann keine Hoffnung auf unsere weiteren Schritte und Gesuche bauen. Ich habe nur die Aussicht auf eine mir peinliche Zeit: ich darf keine Wohnung beziehen, kann mich nicht einrichten - und das kann sich noch wochenlang verzögern, wenn man uns nicht durch eine förmliche Ausweisung das Prävenire spielt. Doch es will ertragen sein und ich were es aushalten, wiewohl gerade meiner Natur und auch meinem Befinden gerade solche Conflicte die widerwärtigsten sind. Ich sage mir: daß ich mich in Amerika ja noch viel mehr in den Troubel und die Unwöhnlichkeit würde finden müssen. Doch werde ich auch die nothwendigen Grenzen findenk die meine Gesundheit fordert..." (Lebensbild S. 439)

Zwei Wochen später berichtete er seiner Schwester über eine 'grippeartige Erkältung', die so gravierend war, dass er einen Arzt aufsuchen musste. Was die Angelegenheit der Maßregelung anging, wurde er mehrere Male zur Polizei vorgeladen und schließlich unwiderruflich aus der Stadt Hamburg ausgewiesen. Am 1. Februar 1851 siedelte er nach Wandsbeck über, nachdem ein Freund der Familie eine Bürgschaft für seine Zahlungsfähigkeit übernommen hatte. Dazu schrieb er seinem Vater:

"...Ich rechne ihm das sehr hoch an...Es kommt mir allerdings beinahe verwunderlich vor, daß gerade ich, der es gewiß weniger als irgend ein demokratischer Mensch in der Welt auf solche Sachen angelegt hat, nun doch auch polizeilich gemaßregelt werde. Aber das scheint ein Schicksal zu sein; denn mit Allen habe ich besser auskommen können als mit der Polizei, obwohl ich ihr gegenüber immer die vollkommenste Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit gewesen bin..." (Lebensbild S. 441)

Sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich rasant, dass die ärztliche Behandlung ohne Erfolg blieb und an Unterricht in der Gemeinde-Schule sowie Vorlesungen in der Hochschule nicht mehr zu denken war. Als einziger Ausweg erschien ihm eine Kur, die er bei einem Wasserarzt im mecklenburgischen Bad Stuer am Plauer See antreten wollte. Früher als geplant, brach er am 24. März 1851 von Wandsbeck auf nach Stuer. Am 27. März berichtete er einer Freundin nach Hamburg:

"Ich kam hier halbtodt an. Mein Rheumatismus hatte sich durch die furchtbaren Stöße der mecklenburgischen unchaussirten Wege auf Lunge und Herz geworfen; unaufhörliche Brustbeklemmung war die Folge..." (Lebensbild S. 443)

Am 9. April 1851 berichtete er nach Hause:

"Wenn Ihr lieb seid, so begnügt Euch mit dürren Notizbriefen, denn es ist unglaublich, wie wenig aufgelegt zum Scheiben und Arbeiten ich bin, obgleich mein körperliches Befinden sich täglich bessert. Meine Cur ist noch immer dieselbe, aber ich kann sie schon mehr unterstützen, kann, freilich mit Pausen und Ausruhen, doch schon die Hügel, die den See einschließen, ersteigen und bin schon mehr als einmal Dreiviertelstunden unterwegs gewesen. Im übrigen gehen die Tage hier der eine wie der andere hin. Man langweilt sich zu Zeiten gewaltig; indessen empfinde ich diese Langeweile nicht so stark und in ihrer unangenehmen Qualität, wie ich es sonst thun würde. Mein Kopf versagt sich dem Arbeiten und Denken; ganz leichte Lectüre und Conversation machen eine Ausnahme. Baden, Spazierengehen und Ausruhen, das füllt den ganzen Tag. diese ziemlich ungetheilte faulenzende Ruhe scheinen meine Nerven zu verlangen, und ich gebe ihnen darin ohne Weiteres nach. Auch alles Empfinden zieht sich in einen gelinden Schlummer zurück, nach dem die Seele, wenn sie wieder aufwacht, sich auch wohl nicht schlechter befinden wird. Es wäre an sich schon kein Wunder; das Wasser ist aber obendrein eine tüchtige Wiege, die schon Jeden in einige Abspannung versetzt...Mein Schlafrock und Mantel kommen mir trefflich zu statten." (Lebensbild S. 444/445)

Wochen und Monate gingen dahin ohne dass sich seine körperliche Verfassung änderte. Am Hochzeitsfest seiner Schwester Elisabeth zu Pfingsten 1851 konnte er nicht teilnehmen, hoffte aber auf bessere Zeiten. Anfang Juli verschlechterte sich sein Zustand dramatisch, sodass er bis Ende August bettlägerig war. Dennoch gab er die Hoffnung nicht auf und beschloss, bei einem Spezialisten in Gotha Hilfe zu suchen. Am 9. September schrieb er dem Vater:

"...Ich gedenke Anfang nächster Woche von hier abzureisen. Es ist für's erste genug, und was hier nicht gehoben werden konnte, wird ohnehin nicht nach Wochen, sondern zum wenigsten nach Monaten seine Heilung zählen, falls ich sie überhaupt loswerde, diese Verhärtung im Unterleibe. Es ist indeß eine neue Heilmethode, durch Elektricität, in der Entdeckung begriffen, und die Mühe einer schriftlichen Consultation ihres Apostels, eines Dr. Hassenstein in Gotha, werde ich jedenfalls nicht scheuen..." (Lebensbild S. 447)

Von Dr. Hassenstein bekam er eine Zusage, die er schnellstmöglich in die Tat umsetzen wollte. Zunächst fuhr er nach Hamburg, wo er sich mit seinem Vater traf, der dort an der Jahresversammlung des Gustav-Adolf-Vereins teilnahm. Wegen eines bösen Sturzes beim Einsteigen in den Omnibus, musste er länger als geplant in Hamburg bleiben und fuhr anschließend nach Detmold, wo er nach langer Zeit Friedrich wieder sah, der über das Aussehen seines Bruders ziemlich erschrocken war:

"...Als ich ihn zu Anfang October in Detmold wiedersah, enthüllte der erste Blick mir das drohende Verhängniß. Er schien unter dem Bann einer unheilbaren Krankheit, und deutete, ohne viel darüber zu reden, hinreichend an, für wie bedenklich er selbst seinen Zustand hielt. Zuweilen erfreuten wir uns noch schöner freier Momente, in denen das Gespräch in alter Weise floß und die Zukunft hell und hoffnungsvoll erschien. Auch gemeinsame Spaziergänge in den altbekannten Umgebungen des Teutoburger Waldes wurden unternommen; aber meist stellte sehr bald eine Ermüdung sich ein, die uns zur Umkehr nöthigte. Während der letzten Zeit seines Aufenthaltes in Stuer hatte er sich in weiter aussehenden Plänen gefallen, zur Erfrischung und Stärkung seiner Gesundheit von Reisen nach Paris oder London geträumt. Jetzt war nur noch von dem Versuch der elektrischen Heilmethode in Gotha die Rede..." (Lebensbild S. 448)

Seiner Schwester Elisabeth, die zu Pfingsten geheiratet hatte und inzwischen in Berlin wohnte, schrieb er am 11. Oktober 1851:

"...Ich habe jetzt gar keine Entschlüsse und Pläne, weil Alles ja auf der schwankenden Basis meines Befindens beruht; nur das Eine hoffe ich mit einiger Zuversicht: Dich zu besuchen. Daß eine Wasserheilanstalt in Berlin ist, wird mir sehr zu statten kommen und, wär' es nur wegen des polizeilichen Elends möglich, daß ich auch außer Eurem Hause wohnen könnte, so ließe sich ganz wohl an einen Winteraufenthalt dort denken." (Lebensbild S. 449)

Friedrich Althaus begleitete Theodor nach Karlshafen, von wo der Bruder nach einer Übernachtung am 19. Oktober 1851 mit der Eisenbahn nach Gotha in Thüringen weiter fuhr. Zunächst wohnte er in einem Gasthof, wo ihn schon bald ein rheumatisches Fieber befiel, das der Arzt als ein bedenkliches Symptom einer sehr ernsthaften Erkrankung wertete und ihm nahe legte, in das Frankenberg'sche Stift, einem Krankenhaus, umzuziehen.

Im Krankenhaus erholt er sich ein wenig, kann zeitweise das Bett verlassen und Briefe schreiben, in denen er sich für die vielen Aufmerksamkeiten und Pakete mit Leckereien bedankt. Familie und Freunde sind bemüht, ihm das Weihnachtsfest im fernen Krankenhaus ein wenig zu versüßen.

 

 
 

Biografie ist als Taschenbuch erschienen...

Biographie in der Kindle Edition erschienen:

Leseprobe hier:

 text und byte 

 

Texte von Theodor Althaus beim Aisthesis Verlag Bielefeld:

AlthausLesebuchAisthesis2010.htm

www.aisthesis.de

 
 
     



 

 

 

Wer war Theodor Althaus?

1822-1840: Kindheit und Jugend in Detmold

1840-1843: Studium in Bonn, Jena, Bonn, Berlin

1843, 1844, 1845: Jahre im Detmolder Elternhaus

1846: Zukunft des Christenthums, Harzreise, Rheinfahrt im August

1847: Detmold, Leipzig

1848: Revolutionsjahr

1849: Im Gefängnis

1850: Aus dem Gefängnis

1851: Freiheit?

1852: Letzte Monate

 

 

 

 

 

Texte von Theodor Althaus:

Theodor Althaus, Der Heidelberger Katechismus und die kirchlichen Kämpfe im Fürstenthum Lippe, Bremen 1845
Theodor Althaus, Eine Rheinfahrt im August, Bremen 1846
Theodor Althaus: Die Zukunft des Christentums, Darmstadt 1847
Theodor Althaus, Mährchen aus der Gegenwart, Leipzig 1848
Theodor Althaus, Aus dem Gefängniß Deutsche Erinnerungen und Ideale, Bremen 1850
Theodor Althaus, Zeitbilder 1840 - 1850, Hg. von Renate Hupfeld, Aisthesis Verlag Bielefeld 2010

Veröffentlichungen über Theodor Althaus:

Friedrich Althaus, Theodor Althaus. Ein Lebensbild, Bonn 1888
Malwida von Meysenbug, Memoiren einer Idealistin, Erster Band, Volksausgabe,  Schuster & Löffler, Berlin und Leipzig 
Dora Wegele, Theodor Althaus und Malwida von Meysenbug, Zwei Gestalten des Vormärz, Marburg/Lahn 1927
Annegret Tegtmeier-Breit, Theodor Althaus, Enfant terrible der Detmolder Gesellschaft in: Lippe 1848, Von der demokratischen Manier eine Bittschrift zu überreichen, Lippesche Landesbibliothek Detmold 1998

 

 

 

Text und Fotos:

©Renate Hupfeld

Letztes Update:

07.11.2011


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