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Mein Tag des blauen Sofas Leipziger Buchmesse am Sonntag, dem 19. März 2006 Renate Hupfeld
Der Messetag hat gerade begonnen, als ich mich zwischen zwei Frauen auf eine Sitzbank in der ersten Reihe quetsche. Hier habe ich einen freien Blick auf das blaue Sofa, ständig belagerter Anziehungspunkt der Buchmesse. In einigen Minuten wird in der schönen Glashalle Beethovens „da-da-da-dammm“ ertönen und dann läuft die Kamera. Nonstop werden Namen lebendig, Literatur interessant, Antworten unglaublich aktuell. Else Buschheuer eröffnet den Reigen der dreizehn Top-Autoren, die sich heute auf diesem „literarischen Sitzmöbel“ präsentieren. Seit neuestem lebt und arbeitet sie in Leipzig. Warum nicht mehr in New York? Veränderung. Doch keine Frage, New York sei die Queen, sagt sie. Nur das „Tourigeschmeichel“ gehe ihr „auf den Keks“. Nach einer Woche wisse man nichts von dieser Stadt. Wie die Touris in Leipzig, fällt der Frau rechts von mir dazu ein. Ihr Blick sagt mir, dass sie meine Zustimmung erwartet. Nun aber zu Buschheuers Roman. Beziehungen, und um so etwas Ähnliches geht es in „Der Koffer“, seien nur am Anfang unproblematisch, wenn man den anderen noch nicht kenne. Das leuchtet mir irgendwie ein. Sie liest eine Textstelle, in der Rhett, Spezialist in Sachen „Frauenärsche“, ein Schlafnummernbett ausprobiert. Neugierig geworden? Klar. Was macht Sonnie mit so einem Typen? Doch darüber kann ich jetzt nicht nachdenken, denn schon tönt das Signal zur nächsten Runde. Eher leise sind die Töne, mit denen Marcel Beyer seine neue Erzählung vorstellt. Francokult in Madrid, Freundschaft und Liebe, eine Dreiecksgeschichte, so verstehe ich ihn. „Vergesst mich“. Was soll denn dieser Titel bedeuten? Muss ich auf jeden Fall lesen. Nicht das Stückeschreiben, Inszenieren oder Schauspielern, sondern „Blut und Bier, 15 ungewaschene Stories“ aus dem Jahre 1993 bescheren Franz Xaver Kroetz das ‚Comeback des Jahres’. Wo er schreibt? In der Küche und am liebsten, wenn da richtig was los ist. Er redet so viel, dass die Moderatorin Mühe hat ihre Fragen zu stellen. Auch für den Vortrag eines Textausschnitts bleibt keine Zeit. Schade. Nach dieser Runde verlasse ich meinen Platz mit einem Hauch von Wehmut und schwärme aus. Bei Kiwi, Lübbe, Diogenes schaue ich vorbei, um nur einige Verlage zu nennen, informiere mich rund um das Hörbuchforum und erlebe eine Vorführung des Gutenbergmuseums Mainz auf einer alten Druckpresse. So begann es vor 550 Jahren mit der Herstellung von Büchern. Doch dann zieht es mich wieder in die Gegenwart zu meinem Highlight in der Glashalle, wo ich mich jetzt auf den hinteren Rängen herumdrücken muss. Macht nichts. Auf dem blauen Sofa sitzt der Moderator ohne Gesprächspartner und erzählt gerade einen Witz. Die Zuhörer lachen ein wenig gequält, denn eigentlich sollte er sich mit Tanja Dückers unterhalten. Noch ein paar Informationen zur Autorin und immer wieder ein Blick nach rechts. Kommt sie überhaupt? Endlich. Gutgelaunt und kein bisschen gestresst setzt sie sich auf ihren Platz und nimmt das orangefarbene Mikrofon in die Hand. Die Straßenbahn war der Übeltäter. Dann gleich zu ihrem Roman „Der längste Tag des Jahres“: Nein, nicht ihr Vater ist dargestellt, autobiografische Züge habe die Geschichte nicht. Alles sei frei erfunden und gut recherchiert. Die Achtundsechziger? In ihrem nächsten Projekt wird sie sich denen widmen. Noch eine Heinebiografie? Warum nicht? Fritz J. Raddatz kennt sich bestens aus im Paris des Heinrich Heine. Er räumt auf mit Legenden. Zunächst einmal hieß sein Protagonist gar nicht Heinrich, sondern Harry. Außerdem seien die gängigen Auslegungen der Zeile ‚Denk ich an Deutschland in der Nacht’ völlig daneben. An seine Mutter habe Heine gedacht, die sterbenskrank war, in dem Land, in dem der Sohn nicht einreisen durfte. Was bedeutet der Titel „Taubenherz und Geierschnabel“? Das habe er geklaut, sagt Raddatz. Von Heine. Paul und er und Liz und Mario Adorf und… Schauspielersohn Michael Verhoeven absolvierte das Medizinstudium mit Erfolg, kam dann aber doch zur Schauspielerei, von der wohl die gesamte Familie einschließlich seiner zwei Söhne geprägt ist. Seit 40 Jahren ist er gerne mit Senta Berger verheiratet. Mehr darüber erfährt man in seiner Biografie „Paul, ich und wir“. Nach dieser Vorstellung beende ich meinen Tag des Blauen Sofas. Ich freue ich mich schon auf die „Nacht des Blauen Sofas“ in zwei Tagen. Da sitze ich dann wieder in der ersten Reihe. Text und Foto: ©Renate Hupfeld Weitere Fotos dazu gibt es hier: Leipziger Buchmesse 2006 I
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