Rache
ist ewig Jenny
hält das letzte Foto in der Hand. Mittagspause im Wald. Stilles
Schneeland. Hat seine Unschuld verloren. Kalle lacht in die Kamera. Ein
Ast. Riesig über seinem Kopf. Sensemanns Arm. Trauer weißgepudert. Geflüchtet
ist sie. Hat ihn in dem Schlamassel zurückgelassen. Die Katastrophe lag
in der Luft an dem Tag. Hoch
über den schneebedeckten Hängen schweben sie in das Skigebiet.
Bergriesen vor blauem Hintergrund. Von hier oben haben sie einen großartigen
Blick auf den verträumten Ort im Tal. Die Piste unter der Gondel
verspricht einen guten Skitag. Kalle schiebt die Sonnenbrille hoch und stützt
sich auf seine Skistöcke. „Ist
ja wieder ein Traumwetter. Und so schön leer die Piste. Wenn uns nur
nicht alles vermiest würde!“ „Hast
Recht. Ein Scheißspiel ist das“, schimpft Christian. „Ich wette, er
liegt den ganzen Tag mit dem Arsch im Bett.“ „Seine
Skier hat er noch nicht angerührt. Ich dachte, er wollte mit uns Ski
fahren.“ „Muss
man sich mal fragen.“ „Letzte
Nacht hat er wieder in der Bude rum gepoltert. Ich hab kaum geschlafen.“ „Wer
soll dabei auch schlafen?“ „Wie
er sich gestern das Essen auf den Teller geschaufelt hat. Mir wurde
schlecht. Er frisst bestimmt wieder den Kühlschrank leer. Und wir können
alles neu einkaufen.“ „Er
ist nicht der Markus, den wir kennen“, mischt sich Jenny ein. „Ist ja
eigentlich nicht schlimm, wenn jemand Ruhe braucht und sich zurück zieht.
Aber drei Tage? Und niemandem sagen, was los ist? Ich hab ihn so noch
nicht erlebt. Ihr wisst doch, eine Zeitlang hab ich mich oft mit ihm
getroffen. War immer schön. Ganz anders war er. Vor einigen Jahren hat er
Therapie gemacht ... Drogen ... War davon durchgedreht. So heftig, dass er
lange Zeit Medikamente nehmen musste ...
Das hat er mir mal erzählt. Gestern wollte ich mit ihm reden. Aber
... Leute, wie er mich angesehen hat! Mir wurde ganz anders.“ „So
geht es nicht mehr weiter.“ Mit lautem ‚Klack’ ... ‚Klack’
schließt Kalle die Schnallen seiner Skischuhe und macht sich zum
Aussteigen bereit. „Müssen wir uns rumärgern? Wir sind zum Skifahren
hier. Wenn er nicht den Mund aufmacht und sagt, was Sache ist, kann er
sich ein Hotel suchen!“ Startbereit
stehen sie auf ihren Carvern. Freude will so recht nicht aufkommen. „Auf
gehts“, ruft Christian. „Reinste Sahne ist das heute. Jetzt vergessen
wir erst einmal diesen Idioten.“ Jenny
und Kalle sitzen wortkarg am Tisch und warten mit dem Essen auf ihre
Mitbewohner. Ob Christian was erreicht bei ihm? Er
kommt. Aber mit was für einem Gesicht! „Der
Penner liegt im Bett und stinkt. Wann der wohl zuletzt geduscht hat? Lässt
mich voll vor die Wand laufen.“ Mit
lautem Getöse setzt er sich auf einen Stuhl. „Ich
gehe mal zu ihm.“ Kalle will aufstehen. Da
steht er plötzlich in der Tür. Markus. Leerer
Blick. Brüllt
wie ein Tier. „Rache
ist ewig.“ Wankt
auf sie zu. Nimmt
ein Messer vom Tisch und spießt ein Steak auf. Dann
dreht er sich um und torkelt zurück. „Das
halt ich nicht mehr aus.“ Christian ist der erste, der die Sprache
wieder findet. „Ich
muss hier raus. Lasst uns in die Disco gehen.“ „Wir
können doch jetzt nicht abhauen, so wie der drauf ist.“ Kalle ist
kreidebleich. „Klapse“,
meint Jenny. „Der gehört in die Klapse.“ „Und
wer soll ihn dahin bringen? Ich pack das Monster nicht an.“ Christian
springt auf und holt seine Jacke. „Ich
gehe in die ‚Tenne’. Los, kommt mit!“ Kalle
schüttelt den Kopf. „Das
können wir nicht machen.“ Jenny
legt ihre Hand auf seinen Arm. „Disco
ist eine gute Idee. Komm doch mit, Kalle.“ „Nein,
ich bleibe hier. Vielleicht kann ich ihn zur Vernunft bringen.“ Sie
holt tief Luft. „Ich
brauche jetzt erst mal Abstand. Kannst ja nachkommen.“ Der
DJ heizt kräftig ein. Die Tanzfläche gleicht einem Hexenkessel. In der
Menge der Tanzenden lassen sich die zwei in hektischen Lichteffekten
mitreißen. Für ein paar Stunden alles vergessen. Gegen
Mitternacht verlassen sie die ‚Tenne’ und gehen den Weg zu ihrer
Ferienwohnung. Blaulicht.
Jenny rennt los. Ihr Herz rast. Die Straße ist gesperrt. Ein Polizeiauto
steht quer. Sie
rennt weiter. Ein Polizist packt sie am Arm und hält sie zurück. ©Renate
Hupfeld 06/2003 Diese Geschichte entstand nach der Monatsaufgabe der Literatur-Homepage Schreib-Lust im Juni 2003 "Schreibe eine Geschichte zum Thema 'Katastrophe'" und ist veröffentlicht unter
Inhalt: Warum sehen sie
so normal aus? |
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