home

 

Niemand weiß

(Leseprobe)

 

 

Vera wachte aus einem schrecklichen Traum auf. Ein riesiges Tier hatte sie verschlungen, alles rot da drinnen. Atemnot. Bevor sie erstickte, war sie aufgewacht.

Der Alptraum war nicht zu Ende. Sie lag splitternackt in einem völlig fremden Raum, hatte einen schlechten Geschmack im Mund und rasende Kopfschmerzen.

Seltsam still war es hier, unheimlich still. Nackte Frauen auf weißen Laken, wohin sie blickte. Sie presste die Hand gegen die Stirn. Alle Frauen machten die gleiche Bewegung wie sie. Als sie den Kopf ein wenig anhob, um besser zu sehen, wurde ihr übel. Jetzt kapierte sie, überall waren Spiegel, sie war von Spiegeln umgeben.  

Und nicht genug, dass ihr kotzübel war, ihr ganzer Körper fühlte sich fremd an. Da war ein scharfer Schmerz zwischen den Beinen. Und das Bauchkettchen, ihr Glücksbringer, es fehlte. Sie bewegte sich aus dem Bett, langsam, weil der Brechreiz stärker wurde und die Beine so zitterten, setzte sich in einen Sessel. Und da waren auch ihre Anziehsachen. Oberteil, Jeans, BH und Slip zog sie hervor. Auch ihr Bauchkettchen, gewaltsam zerrissen. Welches Ungeheuer war das? Raus hier, ganz schnell, am besten durch die Terrassentür.

 

Die gleißende Helligkeit draußen tat ihren Augen weh. Sie blinzelte in eine weite hügelige Landschaft mit Weinfeldern und kleinen Baumgruppen. Penetranter Blütenduft vom Garten her. Eine steile Treppe führte von der Terrasse hinunter. Alles unbekannt. Ein Ausweg war das sicherlich nicht, aber immer noch besser, als zurück in das Spiegelkabinett.

In einem Labyrinth von dunklen Nischen mit blauen Rosen erreichte sie eine geöffnete Tür und betrat einen großen hellen Raum. Gitarrenklänge von Pink Floyd, das passte irgendwie. An der Wand gezackte Linien und Schlangen mit eckigen Augen, kleine wuchsen aus den Köpfen von großen. Das rotschwarze Gewirr von Zacken und Schlangen schmerzte in ihrem Kopf.

Dieses Haus hatte tausend Augen.

...