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History

Historische Erzählungen

Der mutige Pfarrer und sein beherztes Eingreifen beim Hexenprozess am Ende des 16. Jahrhunderts, Schillers Begegnung mit Christian Friedrich Daniel Schubart auf der Festung Hohenasperg, das Schicksal einer schönen Bauerntochter in einer württembergischen Reichsstadt und die Begegnung des vierundzwanzigjährigen „musikalischen“ Schriftstellers Romain Rolland mit der fünfzig Jahre älteren Malwida von Meysenbug in Rom, Begebenheiten aus der Vergangenheit in Szene gesetzt und zusammengestellt in vier Erzählungen, die Geschichte in den verschiedenen Zeitabschnitten lebendig machen.

Inhalt:

Hexenadvokat
Rebellen
Fliegen
Römischer Frühling
 

   
  Leseprobe (aus "Fliegen")
 
   
 

[...]

Endlich, an einem sonnigen Nachmittag, konnte sie wieder mit ihm auf den Marktplatz gehen. Weil der Junge zu schwach zum Laufen war, trug sie ihn auf dem Arm. Beim Wirtshaus wurden gerade Fässer von einem Pferdewagen abgeladen und ein Bursche brachte auf einem zweirädrigen Karren Säcke in die Backstube vom Bäcker Hirsch. Am Brunnen kreischten Kinder und hatten Spaß. Eines trieb einen Reifen vor sich her und ein anderes ritt auf seinem Steckenpferd immer wieder um das Wasserbecken herum.
„Schau, Peterle, sie spielen."
Das Kind hob nur schwach den Kopf.
Ach, was sollte sie hier? So viele Leute, aber da war niemand, der sie beachtete, kein Mensch, mit dem sie reden konnte. Und dann noch dieses armselige Häufchen auf dem Arm, sie mochte das Jammerbild schon gar nicht mehr ansehen, sah sie doch nur ihr eigenes Elend in seinem blassen Gesicht.
"Eigentlich bist du ja ein armer Tropf“, sagte sie. „Du bist nicht Schuld.“
Als sie ihm über den Kopf strich, schaute er sie mit großen Augen an und lächelte.
Da spürte sie plötzlich, dass sie ihn gern hatte.
„Weißt du, Peterle, wir passen zusammen wie Pflänzchen, die niemand gießt.“
Sie nahm seine Hand.
„Wir haben uns gefunden, wir zwei.“
Im Schatten der Kirche war die Werkstatt des Glasbläsers. Apollonia blieb stehen und schaute durch das geöffnete Fenster hinein. Diesem jungen Meister hatte sie schon oft bei der Arbeit zugesehen. Sie wartete auf den Moment, in dem er mit sicherer Hand einen rot glühenden Riesentropfen aus dem großen Steinofen holte. Dabei konnte sie jedes Mal ganz kurz seine Augen sehen. Dann beobachtete sie, wie sich seine Wangen blähten und aus dem zähflüssigen Klumpen langsam eine gläserne Kugel wurde. Darin sah sie sich selbst mit Peterle auf dem Arm. Beim langen Hinschauen wurde das Bild immer größer und plötzlich löste es sich und bewegte sich langsam hinaus. Als es an ihr vorbei schwebte, schaute sie ihm nach, zum Kirchturm hoch und sah einen goldenen Engel auf seinem Weg in den strahlend blauen Himmel.
„Magst du auch fliegen, Peterle?“

*

Giftmischer? Tränklein? Schwarzer Kasten? Was meinten die Männer?
Der Bursche mit dem hellblauen Wams klopfte mit der Faust auf den Tisch.
„Die gestrengen Herren im Rat können alles verbieten, was sie wollen, Rattengift oder Mausgift, hält sich ja doch kein Apotheker an das Verbot. Ich geh zum Einhorn und für einen Kreuzer krieg ich, was ich brauch“, brüllte er großspurig.
Einhorn? Apollonia fühlte an ihren Rockbund. Ein Kreuzer. Den hatte sie im Beutel.
„Mädel, ist dir nicht gut?“, fragte die Lindenwirtin, als sie mit der Flasche roten Wein aus dem Keller kam. „Du siehst so seltsam aus, so weiß, und die Augen. Wo schaust du denn hin?“
"Nein, nein, es ist nichts …“, antwortete Apollonia schnell, nahm die Flasche, eilte hinaus und lief sie über den Marktplatz. ’Du musst es tun, du musst, musst …’, forderte eine Stimme in ihrem Ohr. Sie stürmte in die Apotheke.
„Meine Herrschaft schickt mich. Für einen Kreuzer Mausgift“, sagte sie drängend. Der Apotheker blieb arglos und schöpfte mit einem Hornlöffel weißes Pulver aus einem Keramikgefäß.
„Hier hinein.“ Apollonia legte ein kleines Leinentuch auf den Tisch. Der Mann ahnte nicht, welches Verhängnis er auslöste, als er den Löffel auf dem Tuch ausleerte.
Außer Atem erreichte Appolonia die Kanzleigasse. Die Flasche stellte sie in der Küche ab, nahm einen Zinnbecher vom Bord und füllte ihn mit Milch. Rasch schüttete sie das Pulver hinein und lief in die Kammer zu dem kranken Buben. Der wartete schon auf sie und lächelte schwach.
 

   

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