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Wilhelm Ruprecht Frieling:

Coole Geschichten mit Format

Gleitet man mit dem Auto auf der A 2 aus Richtung Hannover Richtung Dortmund an B*e*e*e*d vorüber, der Stadt, die es nicht gibt und bisweilen auch Bielefake geheißen wird und nähert sich Beckum, jenem Ort, der durch die Schildbürger berühmt wurde, dann ist man fast am Ziel: in Hamm, einer Stadt, die bisher noch keinen nennenswerten Ruf als literarische Metropole kassieren durfte.

Dass dies nicht ewig so bleibt, ist Renate Hupfeld zu verdanken, die in der westfälischen Stadt am Ostrand des Ruhrgebietes unter einem Dach mit einem Hammamunga lebt. Hammamunga? Ist das ein Geschöpf wirrer Fantasie oder sind es Geschichten, die eben nur in Hamm entstehen, wachsen und gedeihen können? Ich entscheide mich für letzteres.

Dabei haben die Storys, die von der Autorin in »Hammfiction« versammelt wurden, auf den ersten Blick nur mittelbar mit der Stadt und ihren Bewohnern zu tun, sieht man einmal ab von der wundervollen Erzählung, wie sieben Tiere auf den städtischen Marktplatz kamen und dort zu Bronze wurden. Es sind vielmehr feine Beobachtungen und Schilderungen, die auch in anderen Städten mit Kirchturm, Bahnhof und Fußgängerzone aufgezeichnet worden sein könnten.

Dabei erweist sich die Autorin als aufmerksame Chronistin, die auch in der kleinen und stillen Begegnung Tiefe findet und daraus schöpft. So beobachtet sie den lästigen Schnorrer, der einen Passanten vom Bahnhof bis in ein Café verfolgt und nervt, bis dem der Kragen platzt. Oder sie schildert eine Lehrerin, die mit einem verhaltensauffälligen Schüler lautstark zusammenprallt und dabei verletzt wird.

Meine Lieblingsgeschichte in dieser Sammlung handelt von dem Besuch zweier kleiner Mädchen bei dem Vater eines Freundes, der gerade von Frau und Sohn verlassen wurde. Der Mann delektiert sich daran, zuzusehen, wie sich seine Fische gegenseitig massakrieren. Erschüttert suchen die Mädchen das Weite. Diese Geschichte hat Ray-Bradbury-Format, und schon aus diesem kühlen Grunde ist dieses kleine Elektrobuch für mich ein Treffer.

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Klappentext:

Sie leben in der Zukunft und reisen in die Vergangenheit, verarbeiten den Novemberblues auf dem Friedhof und den Vorweihnachtsstress in der Einkaufmeile, hetzen durch die Bahnhofshalle und begegnen seltsamen Wesen. Wer hinter die Fassaden schaut, ist überrascht, erfreut, betroffen, irritiert oder schockiert. Außerdem ist es durchaus interessant zu erfahren, wie sieben Tiere auf den Marktplatz gekommen sind und dass man im Jahre 2048 am Stadtsee auf der Uferpromenade bummeln und im Seaside Center für eine ganz besondere Reise einchecken kann. Elf Geschichten aus Hamm oder einem anderen Ort mit Kirchturm, Bahnhof und Fußgängerzone.

 
     
  Leseprobe:
 
 
 

In einem Vogelpark irgendwo in der Heide lebte ein Pfau, der einmal der schönste Vogel weit und breit gewesen war. Er hieß Peacock. Diesen Namen hatte ihm ein kleiner Junge aus Amerika gegeben, zu Zeiten, als die Leute noch von weit her kamen, um ihn zu sehen, wenn er an sonnigen Nachmittagen über die Wiese stolzierte und seine langen Schwanzfedern auffächerte zu einem Pfauenrad in schillerndem Türkis. Nach dem Tod seiner Frau waren die glücklichen Zeiten vorbei. Peacock war der einsamste Vogel im Park. Er wurde von Tag zu Tag schwächer und traute sich bald nicht mehr auf die Wiese zu den Menschen.
Als eines Tages ein anderer Vogel von den Parkbesuchern bewundert wurde, konnte er das Elend nicht länger ertragen. Durch ein Loch im Zaun schlüpfte er hinaus und ging los. Nur weg von diesem Ort! Irgendetwas würde er schon finden, vielleicht sogar ein bisschen Freude. Der Weg führte über weite Felder auf einen schmalen Pfad im Wald. Das Laufen fiel ihm schwer, doch er kämpfte sich weiter, selbst als nach einer Weile das Gestrüpp sehr dicht wurde. Unter einem modrigen Baumstamm fand er einen Platz für die Nacht und schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen sah die Welt gar nicht mehr so trostlos aus. Die Sonne blinzelte durch die Blätter, sie machte den Wald hell und grün. Und plötzlich entdeckte er, dass er nicht allein war. Eine Ziege hockte neben ihm und beobachtete ihn still.
„Wer bist du denn?“, fragte Peacock erstaunt.
„Frage lieber, wer ich einmal war und warum ich mich hier verstecke“, antwortete die Ziege. „Ich war für meine Beweglichkeit bekannt. Kein Berg war mir zu hoch, kein Hang zu steil und keine Felsspalte so breit, dass ich nicht hinüber springen konnte. Jedes Jahr konnte ich ein Junges aufziehen, so kräftig war ich.“
„Und was führt dich nun ausgerechnet hierher in dieses Dickicht?“
„Ein Unglück. Ich bin in einen Abgrund gestürzt. Mit Mühe konnte ich mich befreien. Doch es war vorbei mit Klettern und Springen. Meine Kinder waren über alle Berge und ich war ganz alleine. Ja, ja, wie das Schicksal so über einen hereinbrechen kann! Dich hat’s ja wohl auch böse erwischt, sonst wärest du doch in einem feinen Park und nicht einsam hier im wilden Wald.“
„Ich war die Attraktion des Vogelparks“, schwärmte der Pfau. „Mit Frau und Kind wohnte ich gemütlich in einem schönen Nest, bis der Parkdirektor unseren Sohn verkaufte und meine Frau vor Kummer starb.“
„Traurig, traurig“, sagte die Ziege.
Während sie gemeinsam die Brocken verspeisten, die sie zum Frühstück gesammelt hatte, Würmer und Larven für den Pfau, Blätter und Wurzeln für sich selbst, erzählte Peacock weiter von den glücklichen Zeiten und wie sehr er sich wünschte, noch einmal sein türkis schillerndes Pfauenrad aufzufächern.
Gemeinsam schleppten sie sich weiter.
„Was meinst du, wie viele Tage wir noch gehen müssen?“, fragte die Ziege, als sie am Abend unter einem Strauch nebeneinander lagen.
„Kommt Zeit, kommt Rat“, sagte der Pfau und schlief wieder auf der Stelle ein.
Am nächsten Morgen gingen sie weiter wie tags zuvor, bis ein Hahn in den Wald gestolpert kam.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte Peacock. „Wie dein schöner roter Kamm so schlaff herunterhängt. Nach Chef vom Hühnerhof sieht das nicht gerade aus!“
„Eher zum Herzerweichen“, ergänzte die Ziege. „Erzähl mal, was dir passiert ist, Hahn.“
„Die Bauersleute meinten, es gäbe nicht mehr genug Küken. So holten sie einen jungen Gockel auf den Hof und die dummen Hühner haben nur noch Augen für ihn. Dem Angeber schieben sie die leckersten Körner hin und ich soll zusehen. Das kann doch nicht alles gewesen sein, hab ich mir gedacht, und bin weggegangen.“
„Komm mit uns, wo zwei sind, können auch drei sein“, sagte der Pfau.
Zu dritt gingen sie weiter, bis sie einen Schlafplatz für die Nacht fanden.
„Wetten, dass wir morgen wieder jemanden finden, den das Unglück getroffen hat?“, überlegte die Ziege.

[...]

Inhalt:

Sorge im Haus
Tarnhose und Ramazotti
Ruhe gibt es nicht
Jans Vater
Markus
Novemberblues
Sandmann
Sieben
Havanna
Achtundvierziger
Trollbusters

 

 

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