Arnsberger Kunstsommer 2002
Gesammelte Eindrücke
Jetzt
sind sie am Ziel, sagt die nette Navigator Frau in Steffis BMW. Wir stehen
im Herzen der historischen Altstadt von Arnsberg vor dem Hotel „Goldener
Stern“. Seit 1880 bestehendes Traditionshaus, gemütliches Ambiente,
sieht man schon von außen. Sind die ersten Künstler schon da, fragt eine
sehr hübsche Frau, als wir unsere Trollies aus dem Auto holen. Wie siehts
mit einem Parkplatz aus? Durch den Glockenturm, dann links, dann wieder
links, dann... oder hier gleich links..... Wir fragen doch lieber im Hotel
und können das Auto auf dem Parkplatz vom „Alten Backhaus“ abstellen.
Ältestes Bruchsteinhaus der Stadt, ehemaliges Wächterhaus, gleiche
Inhaberin wie „Goldener Stern“. Kleiner Parkplatz, aber eine
Mitarbeiterin fährt in zehn Minuten weg. Hotelzimmer beziehen, schönes
Zimmer, alles da, sogar Bademantel. |
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In
einer Stunde beginnt der Workshop „Kurze Texte“ in der Präparandie,
Sauerstraße eins. Wir nehmen unseren kleinen Stadtplan vom Verkehrsverein
und gehen wieder auf den Alten Markt. Leider müssen wir diesen hellen
Platz mit den schönen alten Häusern, die aber wie neu aussehen, jetzt
verlassen. Auf dem Neumarkt fragen wir einen älteren Herrn nach dem Weg.
Da müssen sie in die Neustadt. Wir gehen durch einen Park und kommen in
eine Wohngegend mit großen Häusern. Haben noch Zeit, kein Café zu
sehen, wären wir doch noch ein bisschen in der Altstadt geblieben. Auf
unserer Suche landen wir schließlich in der „Tenne“, Steffi und ich
setzen uns an den großen runden Stammtisch, weil es da einigermaßen hell
ist. Einen Kaffee gibt’s hier auch, von einer netten älteren Dame
serviert. |
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Vor dem mächtigen Eingang der Präparandie tröpfeln nach und nach die Teilnehmer für unseren Workshop ein. Wir werden von einer jungen Kunstsommer Mitarbeiterin begrüßt. Sie gibt jedem einen schönen bunten K-Sticker, den ich jetzt vier Tage lang tragen werde. Außerdem verteilt sie grüne DIN-A-4-Blätter, zwei Seiten Aufzählung von günstigen Gerichten in Esslokalen. Sticker tragen, dann wissen die Gastronomen Bescheid. Mit unserem Dozenten Michael Klaus setzen wir uns an einen großen Tisch in einem großen Raum in dem alten Gebäude. Mir gegenüber ein rotes Plakat „Von der Rolle“ scheint wie für mich dort platziert. Michael muss sich auch erst an die Schulluft in der Präparandie gewöhnen. Raus hier. Er schickt uns los. Eindrücke sammeln und einen kleinen Text schreiben. Ich habe schon genug Eindrücke gesammelt. Steffi und mich interessiert jetzt erst mal die grüne Speisekarte. Es zieht uns ohnehin nach einigen Stunden Neustadt wieder in die historische Altstadt. „Mercator Vecchio“ gegenüber dem „Goldenen Stern“. |
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Wir
sitzen unter einem großen Schirm im Zentrum des Alten Marktes. Leider
gilt die Speisenaufzählung auf dem grünen Blatt nur für die
Mittagszeit. Doktor Richter kommt im gelben Hemd an unseren Tisch, einen
Riesenkarton auf dem Arm. Holt ein winziges Ding in einer kleinen Plastiktüte
hervor. Hat einer noch kein K? Michael muss keinen Text schreiben, der
sitzt natürlich auch hier. Brigitte geht es wie Steffi und mir und Heinz
will von hier aus Eindrücke sammeln. Kann ich auch: Bücherbaum,
literarische Buchhandlung, Marcus Houtermans, Handy-Klingeln am
Nebentisch, How many roads
von der Bühne am Neumarkt, Michael mit Samsonite-Trolly auf dem
Kopfstein-Pflaster des alten Marktplatzes. Später erzählt er uns, warum
die glattgepflasterten Streifen so wichtig für Trolly-Zieher sind. |
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Dann
geht’s zur Sache, Heinz besorgt uns ein wunderschönes Kaminzimmer im
urigen „Alten Backhaus“. Wir sollen unsere Texte vorlesen. „Von der
Rolle“, denke ich immer wieder, muss mir aber eingestehen, dass die
anderen Teilnehmer in gut einer Stunde tolle Texte gebastelt haben. Zum
Geschehen auf dem Neumarkt, Bandleader mit blauen Cowboystiefeln, Menschen
mit gefärbten und ungefärbten Haaren, Yamaha bei Keck, schöne junge
Menschen am Nebentisch, Bezirksregierung und ein gewisser Herrn Seibertz.
Gegen zweiundzwanzig Uhr trennen wir uns. Vielleicht muss ich doch noch
ein bisschen Eindrücke sammeln. Auf dem Neumarkt läuft auf einer Riesen
Leinwand „Der Schuh des Manitu“, Abahachi und Ranger riesengroß am
Marterpfahl, ein Klappstuhl soll ausgegraben werden. Es beginnt zu regnen,
Zeichen für meinen Abgang ins Hotelzimmer, Fernseher einschalten. Kein
Text. |
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Ich krieg nichts aufs Papier, brauche mehr Struktur. Weil du Jungfrau bist, sagt Pe am nächsten Morgen. Alles klar. Michael schickt uns los zum Haus Brückenplatz elf. Wir gehen alle gemeinsam zu der ehemals schönen alten Jugendstilvilla. Seit fünfzehn Jahren unbewohnt und dem Verfall ausgesetzt. Beschreibt das Haus. Du bleibst so lange bei dem Haus, bis du einen Text hast, sage ich mir. Ich bin noch am Brückenplatz, als alle schon weg sind. Cool präsentiere ich später meinen kleinen Text, als wäre das ganze Theater in mir nie gewesen. | |||
Nachdem
meine Schreibblockade aufgebrochen ist, kann ich auch ohne Struktur zu
jeder Aufgabe und Anregung einen Text schreiben. Ich hoffe nur, dass
Michael nicht auf die Idee kommt, schlaue Sachen an die weiße Tafel
hinter seinem Stuhl zu schreiben. Seine Kommentare zu unseren Texten und
zum Schreiben allgemein sind absolute
Hammer und stehen im Raum, basta. Highlight ist für mich seine Lesung in
der Literarischen Buchhandlung auf dem Alten Markt. Michael erzählt von
seiner Arbeit als Autor von Schimansky-Drehbüchern, Romanen und Hörspielen.
Von seiner Arbeit mit Götz, nicht zu verwechseln mit Schimanski. Dann
liest er kurze Texte und kommentiert seinen neuesten Roman „Taco“.
Es wird viel gelacht. Bewunderung und volle Zustimmung der Zuhörer
kann ich aus den Gesichtern ablesen. Es ist für jeden was dabei. |
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Auf
der Marktmeile ist der Wettbewerb der Straßenmusiker in vollem Gange.
Eine Frau mit einer schönen hohen Stimme und ein Mann singen ihr
Repertoire aus den Siebzigern, take me home, manchmal träume ich
schwer....und dann denk ich es wär...Zeit zu bleiben und so weiter. Als
es heftig zu regnen beginnt, musizieren die beiden unter dem großen
Sonnenschirm von „Mercato Vecchio“, we shall overcome. Dem
Dudelsackspieler auf dem Platz vor dem Glockenturm hätte ich gern länger
zugehört. Sieht richtig mittelalterlich aus mit Feder am braunen
Schlapphut, Holzklappern am rechten Fuß und am linken ein ledernes
Schellenband. Er muss sich den Staub aus der Kehle spülen, dann will er
weiter spielen. Mit Schellenbegleitung und Holzgeklapper geht er zu seiner
Bank. |
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Es
ist alles da, was ihr braucht, holt es euch, nach diesem Motto geht der
Workshop weiter. Die Wörter rieseln aufs Papier, schreibt Steffi in ihrem
Zehnzeiler. Texte werden vorgelesen, kommentiert, gemeinsam Formulierungen
gesucht. Auf Wunsch gibt Michael auch Einzelkritik. Nur noch eine Hürde
ist zu überwinden: Lesung am Sonntag Abend einundzwanzig Uhr. Wo? Natürlich
in der historischen Altstadt, im Compania Café. Jetzt kommt noch mal so
richtig Leben in die Präparandie. Programm für die Lesung fest legen.
Michael muss auf jeden Fall erst mal in Aktion treten. Soll er alles so
machen, wie bei seiner Lesung, dann passt es schon. Also, zuerst Texte zum
alten Haus am Brückenplatz, wird die Arnsberger interessieren. Den
Haustext von Markus bewahren wir aber für den Schluss. Er hat es nämlich
fertig gebracht, am letzten Tag einen Fantasietext mit einem Butler und fünf
sich in einer Ecke fletzenden Skeletten nicht nur in seinen Laptop zu
tippen, sondern auch bühnenreif zu performen. Also der Anfang und das
Ende sind gesichert und das dazwischen wird auch klappen. Ingeborg sagt
uns, wann wir dran sind. Als wir kurz vor Beginn im Compania Café
eintrudeln, sind wir die einzigen Gäste. Macht nichts, denke ich. Aber
siehe da. Gegen einundzwanzig Uhr füllt sich der Raum, bald sind alle Stühle
besetzt. Erwartungsvoll sehen uns unsere Zuhörer an
und....applaudieren erst mal. Das macht Mut. Gut eine Stunde lang dauert unsere Lesung, alle sind
zufrieden. Unser großer Meister hat ein Lächeln im Gesicht, als sei er
stolz auf uns. Doktor Richter bedankt sich und spricht noch ein paar
lobende Worte und .... vielleicht bis zum nächsten Jahr im Arnsberger
Kunstsommer. |
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©Renate Hupfeld