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"Ich habe getan, was ich konnte ..."
Lit.Cologne - Solidaritätsveranstaltung für Liao Yiwu
am 19. März 2010 in der Kulturkirche Köln
Er hätte zu gern am Freitag
dem 19. März 2010 in der Kulturkirche Köln aus seinem Buch "Fräulein Hallo und
der Bauernkaiser" gelesen.
Die Veranstalter der Litcologne hatten alles bestens
vorbereitet, doch der chinesische Staat ließ ihn nicht ausreisen
und
stellte ihn zumindest für die Zeit des Literaturfestivals unter Hausarrest in
seinem Wohnort Chengdu.
Dennoch gelang es den Akteuren der
Solidaritätsveranstaltung in der ausverkauften Kulturkirche in Köln Nippes dem
unerschrockenen Autor Liao Yiwu Gehör zu verschaffen.
Und viele waren gekommen,
manche sogar von weit her angereist, um ein Zeichen zu setzen für die Freiheit
und das Recht eines Autors, seinen Lesern zu begegnen.
Bereits beim Betreten des
Kirchenraums war er anwesend, wenn auch nur auf dem Display im Film zu
sehen war,
wie er sich mit den Menschen trifft und zu Gesprächen zusammenfindet,
Gespräche,
die er wohl
in seinem Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser. Chinas Gesellschaft
von unten" literarisch bearbeitet hat.
In seiner Begrüßung verlas Rainer Osnowski eine Solidaritätserklärung,
verfasst und unterzeichnet von Teilnehmern des Festivals,
mit dem Titel
"Einer fehlt" und folgendem Wortlaut: "Er wollte seine Geschichten lesen,
Flöte spielen
und sich mit Autoren treffen - seine Regierung hat es verhindert.
Die Autoren, Schauspieler, Moderatoren und Künstler der zehnten lit.COLOGNE
erklären sich solidarisch mit Liao Yiwu.".
Roger Willemsen übernahm, beginnend mit einem kurzen Abriss der
Situation der Schriftsteller in China
und möglichen Hintergründen des
Ausreiseverbots, die Moderation.
Es war sehr bewegend, als
vor dem Hintergrund einer traurig klingenden Flötenmelodie
Liaos Brief
"An meine deutschen Leser" von Tienchi Martin-Liao vorgelesen
wurde.
"Ich habe getan, was ich
konnte, es tut mir sehr leid. Ich werde wieder nicht nach Deutschland kommen
können,
ich werde bei den für mich geplanten Lesungen bei der Lit.Cologne nicht
dabei sein können.
Ich bin müde an Leib und Seele, aber ich möchte mich doch bei
Ihnen allen bedanken.
Dafür schicke ich ihnen allen eine Aufnahme meiner Lieder
und meines Flötenspiels.
Vielleicht haben sie sie schon gehört, wenn Sie das
lesen ..." Im weiteren Verlauf des Briefes erklärt er,
wie er während
seines vierjährigen Gefängnisaufenthaltes von einem Mitgefangenen, einem 84
Jahre alten Mönch,
das Spielen dieser Flöte, der Dangxiao, gelernt hat,
Melodien,
die von der Traurigkeit erzählen, „…denn wer wäre, im Grunde
genommen, nicht traurig im Gefängnis?...“.
Der Schauspieler Ralf
Harster las zwei Kapitel aus "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser,
und zwar "Der
Klomann" und "Der Leprakranke" sowie zwei Gedichte von Liao Yiwu.
Monika Lüke
von Amnesty international antwortete auf die Frage, warum dieses Ausreiseverbot
gerade Liao Yiwu treffe,
wo hingegen andere Künstler doch ausreisen dürfen, sie
sehe einen Graubereich,
innerhalb dem die Maßnahmen erfolgen, die man sich nicht
erklären also auch nicht kalkulieren kann.
Der in Köln lebende
chinesische Journalist und Autor Shi Ming spricht von seinem Kontakt zu Liao
Yiwu,
zum literarischen Wert seiner Texte und zur chinesischen Literatur
überhaupt,
dass sich das Genre in der letzten Zeit vom "geschliffenen Text" in
Richtung der aus Amerika bekannten Oral History entwickle,
bei dem das Erzählen
von Zeitzeugen eine sehr wichtige Rolle spiele.
Insofern sind die literarischen
Produkte von Liao Yiwu Texte gegen das Vergessen,
auch und vor allem des
Massakers und dessen Folgen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking am
4. Juni 1889.
Persönliches Fazit:
Der Schriftsteller Liao
Yiwu war an dem Abend die Hauptperson und seine Texte die Hauptsache,
nicht etwa
stand das Thema "Menschenrechte und Zensur in China" im Vordergrund, und das war
gut so.
Er war während der knapp zwei Stunden den Besuchern in der Kulturkirche
in Köln Nippes ganz nah,
auch wenn er sich zur Zeit unter Hausarrest am
Stadtrand von Chengdu in der Provinz Sichuan
befindet.
Sollte er, wie von den Veranstaltern gewünscht, zur Lit.Cologne 2011
ausreisen dürfen,
kann er sich sicher sein, volles Haus bei jeder Lesung zu
haben.
Bis dahin wird wohl sein neues Buch erschienen sein, in dem er seinen
vier Jahre andauernden Gefängnisaufenthalt literarisch bearbeitet,
den er auf
Grund seines Gedichtes "Massaker" verbüßen musste. Vielleicht hat
diese Veranstaltung dazu beigetragen,
Liao Yiwu den langen Weg von China nach
Deutschland zu ebnen.
Die Verantwortlichen der chinesischen Regierung müssen
erkannt haben, dass dieser Abend niemandem geschadet hat
und dass auch die
persönliche Anwesenheit des Autors niemandem geschadet hätte.
Ich bin
guter Dinge, dass ich Liao Yiwu im nächsten Jahr persönlich erleben kann, ja,
ich glaube daran.
Text und Fotos:
©Renate Hupfeld
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